Alltag
Ich liebe es, wenn ich am Sonntag - so wie in diesem Augenblick - durchs geöffnete Fenster die Blasmusik vom Kirchplatz her spielen höre.
Ich liebe es, wenn ich mir ein Kleid überwerfe und schon fertig angezogen bin.
Ich liebe dieses typische Sommergeräusch der lärmenden Grillen im Gras.
Ich liebe es, draussen sitzen zu können.
Ich liebe es, meine Haare nicht mit dem Föhn trocknen zu müssen.
Ich liebe es, das Fenster die ganze Zeit über einfach offen zu haben.
Ich liebe es, mich zum Schlafen hinzulegen und die Frösche draussen quaken zu hören.
Ich liebe es, wenn zwar die Sonnwende leider schon da ist, aber trotzdem der Sommer mit seinen ganzen Verlockungen erst beginnt.
Ich liebe diese weissen Nächte,
ich liebe diese Zeit.
Lucretia - 22. Jun, 13:04
MIr tut es leid für die Leichen, die ich hinterlassen habe.
Für die zertrümmerten Herzen.
Und die vielen Tränen, die ich verursacht habe.
Für die Menschen, die sich auf mich verlassen haben
und die ich warten ließ.
Für alle, die mit mir Hoffnungen verknüpft haben, die ich enttäuscht habe
Für alle, denen ich wehgetan habe, sei es jetzt aus Gedankenlosigkeit oder weil ich mich für einen anderen Weg entschieden habe.
Ich weiss nicht wirklich, wieviel Leid und Trauer ich schon verursacht habe, es tut mir leid, dass dem überhaupt so ist.
Und ich habe immer wieder mit meiner eigenen tiefen Traurigkeit zu kämpfen. Ich weiss nur nicht, bei wem ich mich entschuldigen kann, um sie endlich loslassen zu können.
Lucretia - 31. Mai, 18:21
Und heute waren wir endlich wieder einmal unterwegs, mein Pferd und ich.
Frisch nachgezogene Bremsen nach der Winterpause.
Der erste Zitronenfalter dieser Saison.
Prangendes Himmelblau über blauem Wasser.
Johlende Kinder und herumtobende Hunde.
Das erste Mal im Gastgarten sitzen.
Der Duft nach Gegrilltem in der Luft.
Ein sonnengeküsstes Gesicht beim Heimkommen.
Ein Sonntag wie im Bilderbuch.
Lucretia - 30. Mär, 22:25
Unlängst las ich im Blog einer Freundin, dass sie "ihre MItte gefunden" hätte. Ich kenne sie und ich glaube ihr das sofort.
Gemeint ist damit: mit dem Leben und sich selbst so insgesamt einverstanden zu sein, auch wenn nicht immer alles rund läuft.
Aber mir (die leider immer wieder dazu neigt, sich mit anderen zu vergleichen und das auch zu bewerten - schrecklich ist das, aber bisher konnte ich es noch nicht ganz ablegen) ist dann natürlich sofort aufgefallen, dass ich nur manchmal in meiner Mitte bin.
Aber nach den schweren Jahren zuletzt ist sie zumindest wieder hie und da aufgetaucht, meine geliebte Mitte, und bleibt je nach psychischer Großwetterlage manchmal nur ganz kurz und manchmal schon auch ein bischen länger.
Das Gute aber ist, dass ich WEISS, dass die Zeiten, in denen ich mit mir und meinem Leben zufriedener bin, auch wieder kommen werden.
Und ich freue mich darauf.
Lucretia - 15. Mär, 13:36
Ich sitze am Schreibtisch, wieder einmal.
Wo anders hin, ausser auf die Couch oder wieder ins Bett, kann ich derzeit nicht gehen, weil ich krank bin. Zum Glück nicht heftig, aber hartnäckig.
Und während ich da sitze, bemerke ich, dass ich die Augen zusammen kneifen muss, weil etwas anfängt mich zu blenden. Die Sonne streckt ihre Strahlen aus, über den Schreibtisch, auf meine Brust - und wärmt dort. Und wie.
Aaaaaah, ist das schön!
Lucretia - 12. Mär, 12:26
Heute, beim vormittäglichen Erledigen dieverser Einkäufe, komm ich in meinem Grätzl an einem Platz vorbei. Auf diesem Platz steht eine Kirche und davor befindet sich eine Sammelstelle für Christbäume. Es liegen recht viele dort, offenbar haben diese Woche viele Ihre Bäume entschmückt.
Der Himmel blaut, die Vögel jubilieren - und 3 Meter weiter drüben steht ein Busch - und er IST geschmückt. Prächtigst ist er, in voller Frühlingsblüte.
Jänner halt.
Von meiner Seite aus müsste es wirklich nicht mehr kalt werden.
Lucretia - 11. Jan, 13:23
Aufwachen im Morgengrauen.
Wie zugedeckt liegt das Tal unter mir im Nebel.
Die Luft ist windstill und ganz klar, ich fühle mich wie in Unschuld gehüllt.
Der Himmel verfärbt sich graugrün und kleine Wolkenfetzen leuchten orange.
Wenn ich atme, sehe ich die kondensierte Luft vor meinem Mund.
Aus der Ferne der Ruf eines Greifvogels.
Eine Herde Hochlandrinder mit zwei Kälbern grast friedlich vor dem Haus.
Eines davon ist noch so klein, dass es beinahe wie ein Stofftier wirkt.
Der Hahn ist noch zu verschlafen, um richtig zu krähen.
Als die Sonne aufgeht, sehe das Land in aller Pracht.
Dunst steigt aus der Wiese auf.
EIn Traktor startet an.
Ich fröstle und gehe leise ins Haus zurück.
Lucretia - 29. Sep, 20:05
Gut ist,
dass ich dort wohne, wo ich wohne, mit dieser Aussicht, mit diesem Licht. Mit diesem Mann und diesen Miezen.
Schade ist,
dass ich seit bald einem Jahr mit einer Schleimbeutel-Enztündung in meiner Hüfte herumtu. Seit bald einem Jahr kann ich nicht mehr laufen, schifahren oder inlineskaten. Sogar das Gehen schmerzt mich auf Dauer. Voll zach, das.
Gut ist,
dass ich Musik in meinem Leben habe, singen und Gitarre. Ich liebs!!! Und ich werde langsem immer besser und zum Glück auch mutiger.
Schade ist,
dass es in "meiner" Band Streit gab, zum allerersten Mal. Und obwohl es geklärt sein sollte, nagt es noch immer an mir.
Gut ist,
dass ich mich auf den Herbst freue, obwohl ich so am Sommer hänge.
Erschütternd ist,
dass diesen Sommer eine meiner engen Freunschaften sehr auf die Probe gestellt wird bzw. eventuell sogar endet.
Seltsam ist,
dass mich das irgendwie auch erleichtert.
Schade ist,
dass es in meiner Familie wieder einmal ans Eingemachte geht.
Gut ist,
dass ich mit dem Mann demnächst auf Urlaub auf die Alm fahre.
Schade ist,
dass ich seit Ewigkeiten keinen Urlaub mehr am Meer gemacht habe.
Gut ist,
dass ich ebenso gerne auf der Alm bin.
Mühsahm ist,
dass nach 3 Monaten auf eine Neubefundung warten, das Warten offenbar kein Ende hat und immer aufreibender wird.
Ärgerlich ist,
dass mir so oft der Fokus fehlt (im Job, in der Musik). Warum kann ich mich nicht entscheiden und in Einem saugut werden?
Gut ist,
dass ich die Möglichkeit habe zu tun, was ich liebe.
Schade ist,
dass ich so oft den Hintern nicht hoch krieg.
Gut ist,
dass ich die Wohnung heut schon geputzt habe. Ich hasse es, damit anzufangen. Aber irgenwas macht es mit meiner Seele.
Als zehnjährige erkrankte meine Schulkollegin an Krebs.
Sie hatte einen schwarzen Fleck am Arm und es war unglaublich, dass es ausgerechnet sie traf, weil sie die Klügste und Bravste der Klasse war. Damals dachte ich, dass meine Mutter lieber sie als Kind hätte als mich, und beneidete sie.
Als wir vierzehn waren, verstarb das Mädchen.
Sie war meine Schulfreundin, sie war beliebt, die ganze kleine Stadt war betroffen. Jetzt ist sie im Himmel, sagte meine Mutter.
Als achzehnjährige hörte ich von einem Schüler aus unserer Stadt, der sich vor den Zug warf. Wir alle waren betroffen, wie kann ein so junger Mann sein Leben wegwerfen. Wie groß muss da die Verzweiflung sein. Da ich ihn selbst nicht kannte, wusste ich nicht, wie ich fühlen sollte und fühlte so, wie es die anderen erwarteten.
Mit siebenundzwanzig habe ich zum ersten Mal jemanden in den Tod begleitet. Sie war die Großmutter meines damaligen Freundes, eine Dame aus einer Welt vor unserer und sehr einsam.
Immer wieder habe ich sie nach der Arbeit besucht, bin an ihrem Bett gesessen und hab ihr Geschichten erzählt. Ihre Freude darüber hat ziemliche Löcher in meinem Herzen gefüllt.
Ihr Tod schien keinerlei Lücken hinterlassen zu haben, das hat mich damals mehr betroffen als ihr Tod selbst.
Als ich sechsundreissig war, erkrankte meine Mutter an Krebs.
Mit der Diagnose war auch noch eine ungefähre Restlebensdauer festgelegt. Wir hatten nicht das beste Verhältnis und ich war überascht davon, was diese Zeit des Abschiedes für mich alles bereit hielt. Wie wichtig das für mich war und wie sehr ich meine Mutter endlich besser sehen konnte. Und ein Stück auch mich selbst.
Als sie schliesslich ging, war ich sehr traurig, aber es war in Ordung. Ich war irgenwie auch versöhnt.
Vor dreieinhalb Jahren haben bestimmte Umstände dazu geführt, dass mein nicht geborenes Kind gestorben ist. Dieses Ereignis hat mich in Loch gestürzt, in ein bodenloses, unendliches Loch, das so einnehmend war, dass ich fast nicht weiterleben konnte.
Vielleicht habe ich seither gelernt, dass es alles geben kann - aus allen Gründen - auch das, was Du Dir jetzt gar nicht vorstellen kannst. Und an manchen Tagen halte ich genau diesen Gedanken kaum aus. Und ich lerne langsam, damit einfach weiterzuleben.
Vor drei Monaten ist mein Onkel gestorben.
Er war mir und unserer Familie sehr nahe. Er war der Bruder meines Vaters, war neunzig Jahre alt und es war mit seinem baldigen Tod zu rechnen. Als es dann soweit war, hat irgendwas ganz Altes in mir weh getan - wie auch die vielen verpassten Chancen und der spürbare Verlust des eigenen, schwindenden Lebens.
Seine Frau ist jetzt nach über 60 Ehejahren Witwe und glaubt nicht, dass er wirklich tot ist.
Und heute abend habe ich erfahren, dass mein Vater schon sehr hohe Tumorwerte aufweisst. Krebs hat er schon seit einiger Zeit, aber er möchte nicht, dass meine Geschwister und ich das wissen. Er lehnt - nach dem Marthyrium meiner Mutter - auch jede Behandlung ab.
In unserer Familie steht also ein weiterer Abschied bevor - und wir drüfen uns das nicht anmerken lassen. Keine Sorgen und Wünsche äussern. Keine Fragen stellen, weil mein Vater uns vor seinem Tod schützen möchte.
Mein Vater, der mir schifahren beigebracht hat.
Mein Vater, der einmal so die Tür zuschlug, dass die Wand meines Zimmers einen Riss im Putz bekam.
Mein Vater, der immer wollte, dass ich mich für Politik interessiere.
Mein Vater, der im Krieg Flüchtlinge versteckt hat.
Mein Vater, der immer ein schlechtes Gewissen seinem Bruder gegenüber hatte, weil dieser im Krieg eingezogen wurde.
Mein Vater, der sich nichts mehr wünscht, als dass meine Geschwister und ich nicht streiten.
Mein geliebter Vater.
Ich zünde ein Licht an
für meinen Onkel, der vor 2 Wochen gestorben ist
für meine Mutter, die ich gerne so viel fragen würde
für meine gestorbene Ehe
für mein totes Kind
Ich zünde ein Licht an
für meine Tante, die nun nach 62 Ehejahren Witwe ist
für die Tatsache, dass man manche Antworten einfach nicht mehr bekommen kann
für Dinge, die ich losgelassen habe
für Dinge, die ich nur annehmen kann
Ich zünde ein Licht an
für mich und mein Leben
und stelle es zu den anderen Kerzen
so viele Erinnerungen und Wünsche
so erleuchtet ist die dunkle Gruft