Abschied
Wie kann es sein, dass etwas, von dem man weiß, dass es eintreten wird, einen trotzdem mit unglaublicher Wucht mitten ins Herz trifft?
Dass man schreien, sterben, weiterleben und wieder ein kleines Kind sein möchte, und zwar gleichzeitig?
Manchmal sollte die Erde stehen bleiben, alles Leben innehalten, den Atem anhalten. Nur kurz, nur 5 Minuten, das hätte die Dimension des inzwischen eingetretenen Ereignisses unterstrichen.
Übrigens: bin wieder da.
Aber auch schon wieder fort, auf Urlaub ...
Lucretia - 19. Sep, 11:47
Wenn Du vor mir liegst und schläfst, bist Du mir fremd,
mit Deinem mageren, gepeinigten Körper.
Endlich bist Du entspannt, endlich hast Du keine Schmerzen.
Du siehst im Schlaf wie schon gestorben aus.
Wenn Du wach bist, erkenne ich Dich wieder.
Und Du lächelst mich an.
Meine Mutter, die mich schützen will, sogar vor ihrem eigenen Tod.
Lucretia - 17. Aug, 17:51
Geh weg, Gedanke, den ich kaum ertragen kann.
Geh weit weg und melde Dich am besten nicht mehr bei mir.
Ziehe hin in in Frieden, aber ziehe.
Irgendwohin, ganz weit fort - und lass mich in Ruh'.
Lass mich doch einfach in Ruhe!
Verdammt noch einmal.
Fühle Dich verdrängt, weggesperrt, ausgesperrt.
Und dräng Dich mir blos nicht auf!
Ich will Dich einfach nicht hier haben, kapier das doch endlich.
Ich weiß, ich soll mich auf Dich einlassen, Dich nicht verdrängen.
Aber es ist so schön, wenn Du einmal nicht da bist.
Lucretia - 14. Aug, 08:17
War gestern in dem Schwimmbad meiner Jugendzeit.
Zwischen meinem letzten Besuch dort und heute liegt eine halbe Ewigkeit.
Irgendwie war es beruhigend zu sehen, dass sich dort seither nicht so viel verändert hat.
Dann betrat ich mit sonnenverbranntem Gesicht das weiße Krankenzimmer.
Irgendwie hatte ich dabei ein schlechtes Gewissen.
Diese Zerissenheit zwischen
bleibe doch bitte noch möglichst lange - und - ich halte das alles nicht mehr aus… zehrt.
Trotzdem: gut, dass es so ist, wie es ist.
Dass ich die Chance auf so einen Abschied überhaupt habe.
Pendle öfter zwischen Alltag & Arbeit in Wien und dem Krankenhaus in der Steiermark.
Gestern Nacht: leere Autobahn, Traurigkeit, Telefonat mit der Gutesten, ein Kompensations-Jolly von der Tankstelle.
Es ist dann wieder gegangen.
Lucretia - 26. Jul, 10:53
Immer wieder habe ich mir vorzustellen versucht, wie es dann sein wird, wenn das Leben und die Krankheit meiner Mutter zu Ende gehen.
Wenn der Anruf wirklich kommt, dass ihr Ende absehbar ist.
Oder anders formuliert: sie wird wahrscheinlich nächste Woche sterben. So lautete jedenfalls die Nachricht.
Jetzt bin ich also mittendrinn.
Irgendwie krieg ich dieses Heute grad nicht auf die Reihe.
Meine Mutter liegt im Krankenhaus, mit Windeln an.
Meine Wampe steht von der Völlerei der letzten Tage.
Meine Freundin hat einen nagelneuen Sohn, einen wunderschönen, hilflosen, kleinen Menschenwurm.
Mit meiner Schwester habe ich seit Wochen nicht mehr gesprochen.
Meine Ehe mit meinem wunderbaren und geliebten Schatz ist derzeit wirklich anstrengend.
Meine Mutter wird bald sterben.
In meiner Magengegend flattert es.
Eigentlich fühlt es sich fast an, wie wenn man verliebt ist. Nur ohne diese Leichtigkeit und Kraft.
Lucretia - 27. Jun, 13:15