Dienstag, 17. Juni 2008

Eine kleine Banalität: einfach nur Ansichtssache - von außen und von innen...

Die Situation
Es handelt sich hier um ein Päarchen, beide Mitte 30, das mit einer Reisegruppe (Arbeitskollegen) unterwegs ist.

Die Sicht von aussen (=das Klischee)
Er: plaudert locker mit den Arbeitskollegen, ist chamant, sprühend, offenbar gut drauf.
Sie: hat einen verkniffenen Zug um den Mund, ist sichtlich unentspannt. Nicht besonders kommunikativ und eigentlich eher unsympatisch.

Auch die Gruppe denkt sich, wahnsinn, so ein netter Mann, was will der bloß mit so einer Frau. Wahrscheinlich hadert sie mit dem Älterwerden oder im Hotel gabs keinen Föhn …

Die Sicht von innen
Sie: liebt ihren Mann, aber fährt schon eine ganze Weile auf der recht extremen Launenkurve ihres Mannes Berg-und-Tal-Bahn.
Und sieht von seinem Charme, den er der Reisegruppe so großzügig zeigt, derzeit nicht sehr viel. Im Gegenteil, seine Respektlosikeiten ihr gegenüber werden immer größer.
Anerkennung hat sie überhaupt schon länger nicht mehr bekommen von ihm, dafür wiederholt gute Ratschläge, was sie alles an sich und ihrer Art alles optimieren kann.
In der Reisegruppe sind alle rund um sie herum „gut drauf“, sie aber nicht. Und kann sich dementsprechend kaum integrieren.
Sie sieht ihrem Mann dabei zu, wie er sich im Kampf um Anerkennung komplett verausgabt, mehr, als es gesund für ihn ist und hält das fast nicht aus.
Fragt sich auch, woher er dafür die Energie für diese Freundlichkeit gegenüber seinen Kollegen hernimmt und gleichzeitig tut es ihr weh, weil für sie davon nichts mehr übrig bleibt.
Der schlime Streit, den beide gerade im Hotel-Zimmer hatten, geistert ihr nach wie vor im Kopf herum, die Beschimpfungen, die er da losgelassen hat, tun ihr im Herz weh.
Sie ist schon ziemlich verzweifelt, weil sie nicht sieht, was sie tun kann, damit die Situation wieder besser wird.

Er: ist in Wirklichkeit nicht gut drauf.
Er wünscht sich einfach, ein Teil dieser Reisegruppe zu sein, zu seinen Arbeitskollegen so richtig dazu zu gehören.
Und ist von seinem harten Berufsleben komplett ausgelaugt und für diese Reise in Wirklichkeit zu krank und zu müde.
Er weiß auch gar nicht, ob er das noch überhaupt will: diesen Job, diese Arbeitskollegen.
Der Alltag frisst und lähmt ihn und seit viel zu langer Zeit lässt ihm sein Beruf keine Zeit und Energie für ein Leben neben dem Job.
In Wirklichkeit liebt er seine Frau sehr, aber was ist blos los mit ihr? Bitte nicht jedes Wort und jeden Tonfall so auf die Goldwaage legen. Immerhin ist ja SIE die, die dauernd überempfindlich ist. Früher war sie ja auch lockerer. Warum macht sie nicht einfach ein freundliches Gesicht und tut mit?
Er versteht die Welt nicht mehr. Und den schlimmen Streit, den beide noch im Hotelzimmer hatten, hat er längst verdrängt.

Also schwimmt er im Wir-haben-gute-Stimmung-Farhwasser der Gruppe mit, während sie immer mehr verstummt ...

Hab ich erst unlängst hautnah miterlebt, war Teil dieser Gruppe.
Und warum ich das alles schreibe?
Weil ich selber immer wieder dem Irrtum erliege, die Dinge nach ihrem Schein zu beurteilen - und mir schon öfters dachte, so ein netter Mann, was will der blos mit dieser verkrampften Frau...
Lilli legt los - 1. Jul, 19:26

Wir waren es nicht,

dieses Pärchen, aber manchmal geht es auch uns so, dass vieles ungesagt bleibt und von beiden auf ganz unterschiedliche Art "verdaut" wird. Jedenfalls sehr schön beobachtet, durchdacht und beschrieben!
Herzlichst, Lilli

Lucretia - 7. Jul, 10:13

Servus! Das freut mich, dass Du diesen Text gelesen und kommentiert hast, denn mir lag diese Sache schon ziemlich am Herzen. Mein Mann und ich hocken uns manchmal auch gegenüber und schweigen uns an, genau so wie diese Paare, über die ich immer gesagt habe, dass ich nie so werden möchte .... Lg Lucretia
Sonja (Gast) - 1. Jun, 12:11

ich verstehe dich gut

dein Ehemann wirkt sehr egoistisch. Ich habe einen ähnlichen, immer freundlichen Ehemann mit den anderen und mit mir entlädt er seine schlechte Laune.
LG

Lucretia (Gast) - 3. Jun, 19:50

Sowas ist schrecklich.
Ich hab bei meinem Ehemann im Nachhinein das Gefühl, dass er vielleicht depressiv ist. Könnte das auch bei Deinem so sein? Nicht, dass es die Situation leichter macht .... Euch alles Gute!
Sonja (Gast) - 4. Jun, 09:50

depressiv

ich denke oft auch, dass er depressiv ist. aber, wie kann ich dass sicher wissen? vielleicht ist er zweipolig? was muss ich machen? was hast du gemacht? ich bin verzweifelt! Danke!

Lucretia - 8. Jul, 14:42

Hi & sorry für meine späte Antwort, hab lange nicht reingschaut.

Puh, ich glaub, das ist schwer zu erfahren! Das kann im Prinzip nur er rausbekommen, indem ER sich auf die Suche nach einer Diagnose macht. Aber was bringts, das zu wissen?
Ich glaub, im Endeffekt mus man selber schauen, ob man mit diesen Zuständen kann. Ob man trotzdem ein nettes Leben mit diesem Mann haben kann oder ob es einem zu sehr die Kraft raubt...
Was ich gemacht habe? Naja, ich bin jetzt geschieden.
Aber nicht jeder Fall liegt gleich. Vielleicht kann Dein Mann einsehen, dass er an seinen Zuständen arbeiten muss.
Es kann immer auch sein, dass alles gut wird.
Alles Liebe!

Aktuelle Beiträge

na, das sind ja neuigkeiten!...
na, das sind ja neuigkeiten! gratuliere auch herzlichst!...
la-mamma - 11. Nov, 09:38
Frau gratuliert! (Auch...
Frau gratuliert! (Auch zu den Worten!)
iGing (Gast) - 10. Nov, 18:38
Ein Wunder ist geschehen.
Es ist nämlich so ähnlich, wie wenn da ein Haus steht: und...
Lucretia - 10. Nov, 16:11
Angstgefühl
Ich soll aus einem Flugzeug springen, das über einer...
Lucretia - 26. Okt, 12:36
Es tut mir leid.
MIr tut es leid für die Leichen, die ich hinterlassen...
Lucretia - 22. Jun, 13:22

Lieblingsmusik

Gern gesehen

Lesestoff

Lieblingsbands aus Ö:

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Status

Online seit 6161 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 11. Nov, 09:38

Credits


Abschied
Alltag
Beziehungsweise
Eine Frage:
Erkenntnis
Geschüttelt
Illustrationen
Katzbub
Lektionen
Musik
Öffentliches
Resumee & Plan
Stöckchenwald
Über mich
Wenn das Leben
Zitate
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren